Ich war mal Linker

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Letzte Änderung des Artikels am 24. August 2019 von Aranita

(Bild: Rainer Rappmann) Joseph Beuys und Petra Kelly 1982
(Bild: Rainer Rappmann) Joseph Beuys und Petra Kelly 1982

Seit ich mich für Politik interessiere, und das begann so Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, habe ich mich als politisch „links“ bezeichnet. Ich fand die Idee der Gleichheit der Menschen und der sozialen Gerechtigkeit für erstrebenswert und ich habe auch dafür gekämpft. Meine Schule war in München-Schwabing und die Studentenunruhen der 68er hab ich hautnah miterlebt. Irgendwie hat mich das auch geprägt, der Kampf gegen Ungerechtigkeit und natürlich – das war damals Mode, auch der Kampf gegen die Mächtigen, die Herrschenden. Wir haben „Bild“-Zeitungsständer angezündet, weil die Springer-Presse als Sprachrohr von Franz-Josef Strauß so etwas wie der absolute Feind war.

Wir wollten den Kapitalismus überwinden. Nachfragen, was am Kommunismus und Sozialismus so viel besser sei wenn wir doch erlebten, wie in der DDR die Menschen alles andere als frei leben konnten, wurden mit den Worten „die haben linke Politik nicht verstanden“ abgebügelt und wir haben das geglaubt, weil wir es glauben wollten.

Ende der 70er Jahre habe ich einige Jahre in Wien gewohnt und dort eine Weile die Idee von Joseph Beuys, den sogenannten „Dritten Weg“ – ein System ohne Kapitalismus und ohne Kommunismus – gelebt. Mit dem heutigen Dritten Weg einer rechtsradikalen Gruppe hatte das damals nichts zu tun. Wir haben im Prater ein kleines Dorf aufgebaut, Beuys selbst kam auch mal vorbei und wir fühlten uns als die Mitbegründer einer neuen, gerechten Wirtschaftsordnung. Dummerweise mussten wir aber auch von irgend etwas leben und wir erkannten, dass eine so kleine Minizelle nicht die Weltwirtschaft verändern kann.

Der Kampf gegen echte Nazis, gegen Neonazis und gegen faschistisches Gedankengut war immer die wichtigste Triebfeder in meinem politischen Denken. Ich war bei vielen Demonstrationen dabei und als die Wackersdorf-Demonstrationen los gingen, war ich der Meinung, die frisch gegründete Partei „Die Grünen“ könnten meine politische Heimat werden. Wir gründeten in München-Solln einen Ortsverband und begannen, Politik zu machen. Wir hörten uns Vorträge von Petra Kelly an und zählten uns zum linken Flügel der Partei, den sogenannten „Fundis“.

Bald schon wurde mein Gerechtigkeitsempfinden allerdings auf eine harte Probe gestellt. Das war, als die Grünen die Frauenquote einführten. Wir waren in unserem Ortsverband etwa zwölf aktive Mitglieder, davon zehn Männer und zwei Frauen, von denen eine fast nie zu Arbeitstreffen erschien. Die Frauen fuhren wegen der Frauenquote und der Tatsache, dass sie weiblich sind, auf jede Delegiertenversammlung und nahmen jeden irgendwie möglichen Posten ein. Ohne einer von ihnen nahe treten zu wollen – ihre Kompetenz beschränkte sich meist darauf, strickend irgend wo zu sitzen und wenn die Masse „Ja“ sagte, sagte sie auch „Ja“. Sagte die Masse „Nein“, war sie für „Nein“. Die andere war zu selten da (meist nur bei Entscheidungen, wer als Delegierter irgend wo hin fährt) als dass ich sie bewerten könnte.

Ich fand es zutiefst ungerecht, dass nicht nach Kompetenz gewählt wurde, sondern nach Geschlecht entschieden werden musste. Mir war bewusst, dass die Frauen damals häufig benachteiligt wurden und dass man diese Ungerechtigkeit bekämpfen musste. Ich verstand aber nicht – und ich verstehe das bis heute nicht – warum man diese Ungerechtigkeit damit bekämpfen will, in dem man eine andere Ungerechtigkeit schafft: Die Ungerechtigkeit Männern gegenüber.

Es gab noch einige andere Dinge, die mich an den Grünen störten und stören, wie diesen Missionierungsdrang. Jeder sollte so leben wie wir, die Grünen, das für gut befanden. Schon damals standen wir für Verbote, auch wenn die Grünen heute diesen Verbotswahn weiter perfektioniert hatten. Als dann klar wurde, dass das sogenannte „Waldsterben“ nichts weiter als eine große Lüge war, trat ich bei den Grünen aus und fühlte mich als eine Art APO. Wir gingen zu Demonstrationen, fanden es völlig richtig dass wir Gewalt ausübten (durch Steinewerfen etc.), denn es ging ja gegen den politischen Feind. Wir kämpften gegen Rechtsradikalismus, fanden aber immer wieder irgendwelche Ausreden, um Linksradikalismus zu rechtfertigen.

Mit zunehmendem Alter wurde ich dann ruhiger, erkannte immer mehr wie falsch es ist, mit Gewalt für seine Ideen zu kämpfen und mir wurde klar, dass Demokratie nur dann funktionieren kann, wenn man auch die Meinung Andersdenkender wenn schon nicht akzeptiert, dann zumindest anhört. Stellt man seine Meinung über alles andere, ist man nicht besser als die, die man eigentlich bekämpfen will. Ich befasste mich mit sogenannten Minderheiten wie Transsexuellen, Transvestiten, Menschen, die BDSM leben – ich wollte wissen, wie man sich fühlt als Minderheit in einer Welt, die Gruppen Andersdenkender im besten Falle belächelt, häufig aber auch übelst mobbt. Das empfand und empfinde ich als wichtigen Teil einer linken, sozialen Politik.

Der Entschluss, mich letztendlich von den sogenannten Linken zu distanzieren, liegt in der jüngeren Vergangenheit. Ich finde hier erschreckende Parallelen zur DDR wieder. Andersdenkende werden gnadenlos gemobbt und versucht zu zensieren, ja auszuschalten. Ein Kreuzzug nach dem Motto „Wer unsere Meinung hinterfragt ist der Feind“ brach los. Auf Twitter riefen fanatische Feministinnen (leider auch aus dem Umfeld der Piratenpartei) dazu auf, Andersdenkende durch einen sogenannten Spamblock den Account zu sperren. Das sollte Linke Politik sein, wie ich sie verstehe? Eine sozial gerechte Politik, die auch Raum für Andersdenkende hat? Nein, das ist faschistisches Gedankengut. So ganz alleine stehe ich mit dieser Meinung nicht, auf Sciencefiles ist ein guter, in die Tiefe gehender Beitrag zu dieser Problematik zu finden. Ich wünsche mir, dass sich die Piratenpartei von derartigen Aktionen klar distanziert.

Heute muss ich sagen: Ich war mal Linker. Denn das, was ihr da als linke Politik verkauft, ist nicht das, für das ich jahrzehntelang gekämpft habe. Diese Unterdrückung der Meinungsfreiheit, dieser Hass gegen Andersdenkende, diese Unfähigkeit über den eigenen Tellerrand zu schauen, dieses sich Herausziehen aus jeder sachlichen Diskussion durch Zensur, dieser Zwang zu einem perversen Kreuzzüglertum, dieses Mobbing, dieses Schubladendenken, diese Bevorzugung von Menschen aufgrund ihres Geschlechtes, das ist genau das, was ich jahrzehntelang bekämpft habe. Viele werten heute nicht mehr nach Inhalten, sondern sie bewerten von wem etwas kommt. Deshalb entstehen Spamblocklisten, deshalb entstanden Listen wie die des amerikanischen Republikaners Joseph McCarthy und dem daraus resultierenden Kommunisten-Hass, deshalb entsteht Mobbing und Hass gegen Menschen, die der von wenigen Antidemokraten aufgehetzte Mob gar nicht kennt.

Ihr Spamblocker, denkt einmal darüber nach, wenn politisch Rechte oder die Herrschenden eine derartige Hetze und Verleumdungskampagne gegen euch starten würden. Dann wäre das Gezeter (mit Recht!) groß.

Ich werde weiter gegen faschistisches Gedankengut kämpfen, aber genauso werde ich für das Recht der freien Meinungsäußerung und der Bekämpfung des Überwachungsstaates eintreten. Denn freie Meinungsäußerung muss in erster Linie auch für Andersdenkende gelten. Der Philosoph Theodor W. Adorno trifft mit seinen Worten den Nagel auf den Kopf: „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“



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1 Antwort

  1. Tja, der Artikel ist von 2013, jetz is ’22 ….. nichts Neues unter der Sonne…. (-:

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