Plädoyer für Direktwahl des Bundeskanzlers

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Letzte Änderung des Artikels am 18. August 2021 von Aranita

In Deutschland haben wir ein Parteiensystem, welches sich in den letzten Jahrzehnten massiv gewandelt hat. Waren 1970 nur drei Parteien (wenn man CDU und CSU als eine Partei sieht) im Bundestag vertreten, so sind es im aktuellen Bundestag mit CDU/CSU, AfD, SPD, FDP, Grüne und Linke schon doppelt so viele, nämlich sechs Parteien. Und dies auch nur, weil es eine Fünfprozent-Hürde für den Deutschen Bundestag gibt, sonst wären es noch weit mehr Parteien. Das sieht man an den Europawahlen, wo 13 Parteien aus Deutschland in das Parlament gewählt wurden (CDU und CSU wurden als eine Partei gezählt).

1970 waren die Parteien noch durchaus unterschiedlich. CDU/CSU wurden dem rechten Spektrum zugeordnet, die SPD dem linken und die FDP waren als Liberale das Zünglein an der Waage. Man konnte sich relativ sicher sein, wenn man CDU/CSU wählte, bekam man eine konservative Politik, wenn man SPD wählte eine mehr oder weniger soziale und bei der FDP je nach Koalition eine Partei, durch die das Abdriften in stark rechte oder stark linke Politik verhindert wurde. Heute sieht das völlig anders aus. Bei der letzten Bundestagswahlen bekam man, wenn man SPD wählte, die CDU-Politikerin Angela Merkel als Bundeskanzler. Selbstverständlich bekam man, egal welcher Partei man seine Stimme gab, Merkel als Kanzler, aber aktiv gewählt wurde sie von und durch die CDU/CSU und die SPD.

Bei der nächsten Bundestagswahl ist das Ganze noch undurchsichtiger. Da alle Parteien weit davon entfernt sind, eine absolute Mehrheit zu bekommen und auch eine Zwei-Parteien-Koalition nach derzeitigen Umfragen eher unwahrscheinlich ist, weiß man grundsätzlich nicht, wen man als Bundeskanzler bekommt, wenn man eine bestimmte Partei wählt.

Realistisch sind folgende Konstellationen: CDU/CSU – SPD – FDP (Deutschland-Koalition), CDU/CSU – Grüne – FDP ( Jamaika), SPD – Linke – Grüne (Linksbündnis) oder SPD – FDP – Grüne (Ampel). Wer dann den Bundeskanzler stellt, könnte die Partei in der Dreierkoalition sein, die im Vergleich zu den Koalitionspartnern die meisten Stimmen erhalten hat. Das muss nicht zwangsläufig die Partei sein, die insgesamt die meisten Menschen gewählt haben. Heißt: Wenn jemand im September also SPD wählt und es kommt zu einer „Deutschland-Koalition“, bekommt der SPD-Wähler mit seiner Stimme wahrscheinlich Laschet als Kanzler. Käme es zu einer „Ampel“, könnte der FDP-Wähler mit seiner Stimme Baerbock zum Kanzler gemacht haben.

Dass ein derartiges System die Wünschen der Wähler kaum widerspiegelt, sieht man daran, wie weit in Umfragen die Prozente der Parteien von denen ihrer Spitzenkandidaten auseinander driften. In den aktuellen Umfragen haben sich für Armin Laschet als Bundeskanzler gerade einmal 12 Prozent entschieden, für seine Partei, die CDU, mehr als doppelt so viele, nämlich 26 Prozent. Andersherum sieht es bei Olaf Scholz aus, den 26 Prozent als Bundeskanzler wollen, aber nur 19 Prozent gaben an, SPD wählen zu wollen. Lediglich bei den Grünen sind die Zahlen von Spitzenkandidat und Partei relativ gleich, 16 Prozent wollen Annalena Baerbock als Kanzler und 19 Prozent wollen die Grünen wählen.

Der Wähler hat bei der Bundestagswahl mit dem derzeitigen Parteiensystem kaum mehr die Möglichkeit, sich für den Bundeskanzler zu entscheiden, den er – aus rein subjektiven Gründen, wie das bei geheimen und freien Wahlen üblich ist – für den besten hält. Dadurch wird der demokratische Wählerwille komplett konterkariert. Es gibt nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: Eine Direktwahl des Bundeskanzlers. Der Politiker, der die meisten Stimmen bekommt, wird Bundeskanzler und muss sich im Bundestag seine entsprechenden Mehrheiten zusammensuchen, die er für Gesetzesvorhaben benötigt. Ein ähnliches System wird ja in Frankreich praktiziert.

Absolut demokratisch wäre es, wenn jeder, der meint er könne es, sich als Bundeskanzler zur Wahl stellen könnte. Wenn niemand eine absolute Mehrheit bekommt, gibt es (wie in Frankreich) eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten. Damit könnte man einen großen Schritt in Richtung echte Demokratie wagen, man stößt bei den allermeisten Politikern aber – wen wundert das wirklich? – auf massive Ablehnung. Aber man wird ja wohl noch etwas von einer besseren Demokratie träumen dürfen.



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1 Antwort

  1. Dass bei den Grünen der Unterschied zwischen Partei und Führer kaum ins Gewicht fällt, ist nicht verwunderlich. Die Grünen sind ähnlich einer Sekte, wo nur eine Einheitsmeinung gilt. Niemand hinterfragt etwas, der Führer hat immer Recht.

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