Wie ein Werbevermarkter immer mehr zur Datenkrake wird

Voraussichtliche Lesedauer des Artikels: 5 Minuten

Letzte Änderung des Artikels am 9. Mai 2022 von Aranita

Ich folge auf den sogenannten „Sozialen Netzwerken“ vielen Seiten und Gruppen. Entweder, weil mich die Menschen hinter den Seiten interessieren, weil ich die Themen der Seiten spannend finde oder einfach, um meinen Horizont zu erweitern.

Eine dieser Seiten ist die Männerseite, die derzeit 947.376 „Gefällt mir“-Angaben hat. Die Seite beschreibt sich unter anderem wie folgt: „Eine Seite für echte Männer!

Schöne Frauen, Bier, BBQ, Sport, PS und allerlei Themen des täglichen Lebens – alles zugeschnitten auf das männliche Geschlecht.

Von News aus aller Welt bis zu witzigen Produkte aus dem Web – wir filtern den Irrsinn des täglichen Lebens und halten dich über alles auf dem Laufenden.“

Seit einiger Zeit fand man in dieser Gruppe fast nur noch Clickbaits, also Anreißer, die die Leser dazu animieren sollen, auf einen Link zu klicken. Ein aktuelles Beispiel dafür lautet wie folgt: „Männer, haltet euch fest! So sieht „Nebula“ ohne Maske aus:“ Klickt man auf den Link, kommt man auf eine Seite von „kino.de“ und man muss sich ziemlich weit durchklicken, um zum entsprechenden Schauspieler zu kommen.

Eine weitere Sache, die mir sehr negativ aufgefallen war, ist die Tatsache, dass man dort seit einiger Zeit diskriminierende Genderschreibe benutzt. Allerdings hat man sich niemals zu entsprechender Kritik geäußert. Das bedeutet entweder, dass die Kommentare der Benutzer uninteressant sind, oder dass man die Kommentare aussitzen will, wie das häufig bei ARD, ZDF, Pro7 oder SAT1 passiert. Mich hat nun interessiert, wer hinter dem Ganzen steckt und ich fand als Angabe „Ströer Social Publishing GmbH“.

Wer ist hier der Boss? Ströer!

Irgend etwas hat dann bei mir geklingelt. Ströer, ist das nicht dieser Werbevermarkter? Und war da nicht etwas mit einer Werbekampagne gegen die Grünen, die Ströer nach einem Shitstorm des Grünen Mobs eingestellt hatte und kund tat, man wolle keine politische Werbung mehr verkaufen?

Ich habe mich gefragt, warum ein Werbevermarkter Facebook-Seiten wie die „Männerseite“ betreibt und gendert wie ein ZDF-Nachrichtensprecher. Also habe ich begonnen zu recherchieren. Zuerst auf Facebook. Dort fand ich Erstaunliches. Eine andere Seite, der ich folge, ist die Seite Unnützes Wissen mit 739.061 „Gefällt mi“-Angaben. Und wer betreibt die Seite? Ströer. Auf zur nächsten Seite: Lustige Witze und Bilder. Lustig ist dort nichts mehr, dafür ClickBaits und ein paar Flachwitze. Immerhin folgen der Seite noch 93.758 Facebook-Benutzer. Auch hier ist der Betreiber Ströer.

Ich bin weiter zur nächsten Seite. Sie heißt Mia san Bayern – News und ist angeblich eine Fanseite des FC Bayern, denn in der Beschreibung steht: „Alle Nachrichten rund um den FC Bayern“. Zum FC Bayern steht dort kaum noch etwas, man findet Werbung für die „Männerseite“, Werbung für „MySpass“ und KlickBaits. Und wem gehört die Seite? Ströer. Und wer vermarktet „MySpass“? Ströer. Dann habe ich noch die einstmals ganz lustige Seite Kann dieses Brezel mehr Fans als TOKIO HOTEL haben? mit 297.652 „Gefällt mir!“-Einträgen angesehen. Und ja, auch diese Seite betreibt Ströer.

Wer ist Ströer?

Jetzt hat mich interessiert, wer dieser Werbevermarkter Ströer ist und wer da alles dazu gehört. In der Wikipedia steht, dass Ströer ursprünglich Außenwerbung in Köln gemacht hat, dann nach und nach andere Außenwerbevermarkter wie die Deutsche Städte-Reklame GmbH oder die Deutschen Eisenbahn-Reklame übernommen hat.

2015 stieg Ströer dann in Nachrichtenportale ein. Man übernahm das Portal t-online von der Telekom, welches sich ab diesem Zeitpunkt schnell zu einer Art kritiklosem Regierungssprecher entwickelte. Auch andere Onlineportale wie die Infotainment-Seite giga.de, das Nachrichtenportal watson.de, die Webseite für Computerspiele spieletipps.de, oder das Film-und Kinoportal kino.de, das Statistikportal statista.de wie auch das Portal zum Schulfreunde finden, stayfriends, gehören neben einigen anderen Webseiten zur Ströer.

Buzzfeed hat einen längeren Artikel über Ströer veröffentlicht mit dem Titel „Wie der Werbegigant Ströer Millionen Facebook-Fans heimlich für Werbung benutzt – und dabei ihre Communities zerstört“. Buzzfeed hat dabei eine Menge weiterer Facebook-Seiten zusammengestellt, die Ströer gehören und die für Clickbait benutzt werden. Eine Liste dieser Seiten findet man auf Google Docs.

Doch damit nicht genug. Wie der Verlag W&V mitteilte, haben Ströer und die Otto-Group ein Vermarktungs-Joint-Venture gegründet. Dabei geht es um die Nutzung gemeinsamer Kundendaten. W&V schreibt dazu: „Die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens der Kölner und der Hamburger vereinfacht die gemeinschaftliche Speicherung, Auswertung und Nutzung von Kundendaten für Werbezwecke.“ Und weiter: „So entsteht einer der größten deutschen Datenpools […] mit mehr als 50 Millionen Datensätzen“.

Auch im Fernsehgeschäft aktiv

Aber auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Im Jahre 2020 schloss die SevenOne Media eine Kooperation mit dem Daten-Joint Venture OS Data Solutions von Otto Group und Ströer. Die SevenOne Media bejubelt die Zusammenarbeit mit folgenden Worten: „Die Userdaten aus den Webshops und digitalen Plattformen der Otto Group und Ströer werden verwendet, um User mit entsprechenden Interessen und Merkmalen auf den von SevenOne Media vermarkteten Seiten mit passenden Werbekampagnen anzusprechen.“

SevenOne Media ist der Vermarkter von Sat1, Pro7, Kabel1, Sixx, Sat1 Gold, Pro7 Maxx und Kabel1 Doku. Damit hat Ströer auch sehr gute Verbindungen zum Fernsehgeschäft. Immerhin ist die Pro7 Sat1 Media, zu der die SevenOne Media gehört, der größte deutsche Fernsehsender nach Umsatz.

Man darf gespannt sein, welche Branchen Ströer noch übernimmt oder zumindest Partnerschaften eingeht. Ob die Clickbait-Seiten auf Facebook und das damit verbundene Vergraulen der Benutzer sich auf den Ruf des Werbe-Vermarkters auswirken, wird die Zeit zeigen. Ich habe mich auf jeden Fall von einigen dieser Seiten abgemeldet. Und das nicht nur wegen des dortigen Verwendens von diskriminierender Genderschreibe.



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